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Antrag vom 04.11.2021

Unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Köln vom 05.10.2021 wird wie folgt beantragt:

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Ordnungsverfügungen des Schulamtes für die Stadt Köln vom 08.09.2021 hinsichtlich Ziffer 1 der jeweiligen Ordnungsverfügung wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer 3 der jeweiligen Ordnungsverfügung anzuordnen.

Begründung:

I.

Das Verwaltungsgericht Köln vertritt die Auffassung, dass die Anträge unbegründet seien. Die Interessenabwägung falle zum Nachteil der Antragsteller aus, da das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entscheidung dem Interesse der Antragsteller überwiege. Das Verwaltungsgericht meint, dass die Antragsteller die Verpflichtung aus § 41 SchulG NRW nicht erfüllen und daher gem. § 41 Abs. 5 SchulG NRW von der Schulaufsichtsbehörde zur Erfüllung Ihrer Pflichten angehalten werden könnten. Vorher meint das Gericht, dass der Sohn der Antragsteller nicht vom Unterricht beurlaubt sei. Es stehe der Annahme einer Verletzung der Elternpflicht nicht der Einwand der Antragsteller entgegen, ein Schulbesuch und eine Testung sei nicht zumutbar. Außerdem sei derzeit nicht davon auszugehen, dass die Teilnahme einer Schülerin oder eines Schülers am Präsenzunterricht mit unverhältnismäßigen Gesundheitsgefahren verbunden sei. Die Schutzinstrumente, wie die Maskenpflicht etc. seien nicht ungeeignet. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar dargelegt, dass dem Sohn der Antragsteller eine Testung nicht möglich oder unzumutbar sei. Es bestünde auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung, da ein weiteres Fernbleiben des Sohnes der Antragsteller von der Schule seine persönliche und schulische Entwicklung nachhaltig gefährden würde. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Köln halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

II.

Das Verwaltungsgericht Köln ist der Auffassung, dass die Verweigerung der Testungen und das damit verbundende Verbot des Besuchs des Schulgebäudes dazu führe, dass der Sohn der Antragsteller unentschuldigt fehle. Diese Auffassung ist falsch. Sofern durch die Schule ein Nutzungsausschluss nach der Coronabetreuungsverordnung verfügt würde, besteht für den Zeitraum des Ausschlusses ein Rechtsgrund für die Nichtteilnahme am Präsenzunterricht. Aufgrund des bestehenden Rechtsgrundes kann das Fehlen auch nicht als unentschuldigte Fehlzeit gewertet werden, da die Schule den Grund für die Fehlzeit mit dem Nutzungsausschluss selbst gesetzt hat (Entschuldigungswirkung des Hoheitsaktes). Diese letztgenannte Auffassung vertritt das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen selbst in dem Argumentationspapier vom 21.04.2021.

Beweis: Schreiben des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2021

Diese Rechtsauffassung wurde vom Ministerium in einer Schulmail vom 09.09.2021 noch einmal bestätigt.

Dies hat auch das Verwaltungsgericht Aachen bestätigt (Beschluss vom 27.04.2021, AZ: 9 L
241/21).

Das Verwaltungsgericht Aachen meint dazu: Die CoronaBetrVO hat keine Testpflicht
im Rechtssinne statuiert. Vielmehr haben die Schülerinnen und Schüler nur die Obliegenheit,
ein negatives Testergebnis vorzuweisen, um an der schulischen Nutzung, insbesondere dem
Präsenzunterricht, teilnehmen zu können. Der Schüler bzw. die Schülerin, die sich nicht testen
lässt, verhält sich nicht rechtswidrig. Die Schulleitungen sind dann verpflichtet, angemessenen
Distanzunterricht anzubieten, der dafür sorgt, dass die Schüler und Schülerinnen an das
Unterrichtsgeschehen angebunden und im Klassenverband verwurzelt bleiben.

Es liegt hier schon kein Verstoß gegen eine Verletzung der Schulpflicht vor, weil eine
Testverweigerung vorliegt. Dies hat auch der bayrische Verwaltungsgerichtshof so gesehen
(Beschluss vom 12.04.2021 – 20 NE 21.926).
Der bayrische Verwaltungsgerichtshof sagt dazu: Aufgrund einer fehlenden Testung nicht am
Präsenzunterricht teilnehmende Schülerinnen und Schüler erfüllen Ihre Schulbesuchspflicht
durch die Wahrnehmung der Angebote im Distanzunterricht bzw. im Distanzlernen. Auch das
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22.04.2021 – 13 B 559/21.NE)
geht in diesem Beschluss ebenfalls nicht von einer Schulpflichtsverletzung aus. Es wird dort
lediglich aufgeführt, dass nicht getestete Schülerinnen und Schüler keinen Anspruch auf ein
individuelles Angebot des Distanzunterrichtes haben.
Nach alledem ist festzuhalten, dass durch die Testverweigerung kein Verstoß gegen die
Schulpflicht vorliegt, weil die Schule selbst den Rechtsgrund hierfür setzt, in dem sie
ungetesteten Schülerinnen und Schülern den Zugang zum Schulgebäude verweigert. Der Sohn
der Antragsteller erfüllt seine Schulpflicht damit durch das Distanzlernen im elterlichen
Haushalt. Es ist im Übrigen unstreitig, dass dies im ausreichendem Maße geschieht.

III.

Im Übrigen ist die Verhängung von Ordnungsgeld/Ordnungshaft dazu, dass aus einer
Testobliegenheit eine Testverpflichtung erzeugt wurde. Dies ist aber gesetzlich nicht normiert.
Außerdem verstößt diese Vorgehensweise gegen das Zitiergebot. Dies aus dem Grunde, weil eine Testung einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Unversehrtheit des Körpers darstellt. Ein solcher Eingriff ist nur möglich und kann aus diesem Grunde auch nur dann erzwungen werden, wenn das zugrunde liegende Schulgesetz eben diese Grundrechtsverletzung bzw. den Grundrechtseingriff zitiert. Es findet sich im Schulgesetz allerdings keine Regelung dazu, dass aufgrund von Testungen in dieses Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit eingegriffen werden kann. Das Schulgesetz NRW sieht dies lediglich für die Schuluntersuchungen vor.

Es besteht auch kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung. Hier ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Einführung der Testungen dazu erfolgt ist, den Zweck des Infektionsschutzgesetzes zu erfüllen, möglichst Infektionen im Schulgebäude zu verhindern. Dieser Zweck ist bereits dadurch erfüllt, dass Schülerinnen und Schülern, die den Test verweigern, der Zugang zum Schulgebäude verwehrt ist.

IV.

Genauso, wie derzeit keine Impfung erzwungen werden kann, weil keine Impfpflicht besteht, besteht auch keine Rechtslage, eine Testung zu erzwingen. Vielmehr trifft die Antragsteller lediglich eine Obliegenheit, ein negatives Testergebnis vorzuweisen, um den Schulbesuch zu ermöglichen. Die Androhung von Ordnungsgeldern und sogar Ordnungshaft würde aber eben genau hierzu führen, zu einer Testpflicht, die gesetzlich nicht normiert ist. Außerdem verstößt die Testobliegenheit gegen atenschutzrechtliche Vorschriften. Es liegt ein Verstoß gegen Art. 9, Abs. 1 der Verordnung EU 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 45/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung-DS-GVO) vor. Danach ist die Verarbeitung von Gesundheitsdaten grundsätzlich untersagt. Vorliegend ist die Verarbeitung auch nicht gerechtfertigt. Eine Rechtsforderung besteht nur insoweit, wie die Teilnahme an den Testungen freiwilliger Natur ist. Eine Einwilligung (vgl. Art. 4, Nr. 11 DS-GVO) setzt eine freiwillige Entscheidung voraus. Nach der Datenschutz-Grundverordnung kann eine Willensbekundung nur freiwillig sein, wenn die betroffene Person „eine echte oder freie Wahl hat und somit in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern, ohne Nachteile zu erleiden“. Durch die Androhung von Ordnungsgeldern und Ordnungshaft entsteht ein faktischer Zwang, der eine Freiwilligkeit ausschließt, weil Eltern eben dann einer Testung zustimmen würden, um ein Ordnungsgeld/ Ordnungshaft zu vermeiden.

V.

Gesundheitsgefahren durch den Schulbesuch.

Das Verwaltungsgericht Köln ist der Auffassung, dass nicht davon auszugehen sei, dass die Teilnahme einer Schülerin oder eines Schülers am Präsenzunterricht mit unverhältnismäßigen Gesundheitsgefahren verbunden sei. Das Verwaltungsgericht Köln beruft sich dabei auf die Entscheidung des OVG NRW vom 22.09.2021 – 19 B 1458/21 – juris.
Es ist wieder zu berücksichtigen, dass seit dieser Entscheidung sich die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen geändert haben. Seit dem 02.11.2021 besteht in Nordrhein-Westfalen nicht mehr die Verpflichtung im Unterricht eine Maske zu tragen. Dies führt dazu, dass sehr viele Kinder im Unterricht ohne Maske sitzen. Das fehlende Tragen von Masken im Unterricht führt nach der eindeutigen Wissenschaft zu einer 3,5-fachen Vergrößerung der Infektionsgefahr. Dies lässt sich auch nicht dadurch beheben, dass die schutzsuchende Person freiwillig eine Maske trägt, weil das Maskentragen an sich in erster Linie nicht dazu führt, sich selbst zu schützen, sondern andere. Ein Infektionsschutz ist daher nur gewährleistet, wenn sämtliche Schülerinnen und Schüler in einem Klassenraum die Maske tragen. Diese fehlende Maskenverpflichtung hat das OVG NRW in dem Beschluss vom 22.09.2021 noch gar nicht berücksichtigt. Im Übrigen haben in den vergangenen Monaten verschiedene Verwaltungsgerichte in Deutschland eindeutig ausgesagt, dass das Tragen der Maske in Unterrichtsräumen auch weiterhin ein wichtiges Instrument ist, um Infektionen zu vermeiden. Auch wenn die Gesundheit des Kindes nicht prinzipiell Vorrang vor dem staatlichen Erziehungsauftrag hat, führt hier nach Aufhebung der Maskenpflicht die Abwägung dazu, dass die Teilnahme am Präsenzunterricht mit unverhältnismäßigen Gesundheitsgefahren verbunden ist.

Dies zeigen auch die Infektionszahlen, die das Robert-Koch-Institut regelmäßig meldet. Allein für den 03.11.2021 hat das RKI für Kinder unter 15 Jahren 6026 Neuinfektionen gemeldet. Das RKI hat durch seinen Leiter, Professor Wieler, in einer Pressekonferenz am 03.11.2021 noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch Schüler bzw. Kinder zu schützen sind, weil Long-Covid Erkrankungen und Langzeitschäden möglich sind. Professor Wieler hat dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die AHA-Regeln und die Maskenpflicht auch in Schulen einzuhalten sind. All diese notwendigen Maßnahmen sind in den Unterrichtsräumen nicht mehr gegeben. Es werden keine Abstände eingehalten und die Maskenverpflichtung ist seit dem 02.11.2021 aufgehoben. Die Aufhebung der Maskenpflicht weicht von der S3-Leitlinie „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von Sars-Cov-2 in Schulen“ die derzeit einer Überarbeitung unterzogen wird, ab. Dabei ist unter führenden Wissenschaftlern, die diese S3 Leitlinie erarbeiten, 100 % Konsens, dass die gefasste Empfehlung zum Tragen von Masken im Schulunterricht auch weiterhin Gültigkeit hat. Die rechtliche Neuregelung der fehlenden Maskenpflicht im Schulunterricht ist hier auch zu berücksichtigen, weil die Ordnungsverfügungen dazu dienen, den künftigen Schulunterricht zu erzwingen und eben nicht ein vergangenes Handeln abzustrafen. Daher ist die Entscheidung des Verwaltungsgericht Köln aufzuheben. Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragsteller aus, weil die Gesundheit des Sohnes der Antragsteller Vorrang vor der Verpflichtung des Schulbesuches hat, zumal die Schulpflicht durch das Distanzlernen zuhause erfüllt wird.