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VG Köln – Eilbeschluss vom 30.03.2022

Heute kam nach langem Bangen der Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln. Mehr dazu schreiben wir später in einem separaten Bericht.

Verwaltungsgericht Köln – Beschluss vom 30.03.2022 – Seite 1
Verwaltungsgericht Köln – Beschluss vom 30.03.2022 – Seite 2
Verwaltungsgericht Köln – Beschluss vom 30.03.2022 – Seite 3
Verwaltungsgericht Köln – Beschluss vom 30.03.2022 – Seite 4
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Verwaltungsgericht Köln – Beschluss vom 30.03.2022 – Seite 8

Beschluss

Hier der Beschluss in lesbarer Form

  1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 Euro fest- gesetzt.

Gründe

Der Antrag, die sofortige Vollziehung aus den Bescheiden vom 27. Dezember 2021 auszusetzen und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage anzuordnen, hat insgesamt keinen Erfolg.

Soweit der Antrag darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der Klage  gegen die Schulbesuchsaufforderung in Ziffer 1 der jeweils einzeln an die beiden antragstellenden Elternteile gerichteten Ordnungsverfügungen vom 27. Dezember 2021 wiederherzustellen, ist er unzulässig (I.). Soweit er darauf gerichtet ist, hinsichtlich der in Ziffer 3 der Bescheide vom 27. Dezember 2021 erfolgten Zwangsgeldfestsetzung und in Ziffer 4 enthaltenen Androhung eines weiteren Zwangsgelds die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist er unbegründet (II.)

I.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Var. VwGO kann das Gericht der Hauptsache die auf- schiebende Wirkung der Klage gegen einen Verwaltungsakt wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.

Die Aufforderung an die Antragsteller in Ziffer 1 der streitgegenständlichen Bescheide dafür zu sorgen, dass ihr Kind regelmäßig am Schulunterricht teilnimmt, und dies durch eine Bescheinigung der Schule bis zum 17. Januar 2022 nachzuweisen, stellt bereits keinen Verwaltungsakt mit eigenständigem Regelungsgehalt dar. Es handelt sich um eine sog. wiederholende Verfügung. Eine solche liegt vor, wenn die Behörde der Sache nach lediglich auf eine bereits in der Vergangenheit getroffene Regelung hinweist, ohne in der Sache eine neue Regelung zu treffen. Da die wiederholende Verfügung selbst keine eigene Regelung zum Inhalt hat, fehlt ihr die Verwaltungsaktqualität im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG NRW.

Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 26. April 2016 – 1 A 103/15 –, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2021 – 19 B 1492/21 und 19 E 925/21 –, juris, Rn. 14.

Der Antragsgegner hat die Antragsteller bereits jeweils mit Ordnungsverfügungen vom 8. September 2021 aufgefordert, für den Schulbesuch ihres Kindes zu sorgen und diese Verfügungen mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbunden. In der Begründung der Ordnungsverfügungen vom 27. Dezember 2021 hat der Antragsgegner ausdrücklich auf die bereits erlassenen Grundverfügungen Bezug genommen. Die nunmehr in Ziffer 1 der Ordnungsverfügungen vom 27. Dezember 2021 ausgesprochene Aufforderung ist ein Hinweis ohne eigenen Regelungscharakter auf die bereits erlassenen Grundverfügungen vom 8. September 2021.

Mangels Verwaltungsaktqualität scheidet einstweiliger Rechtschutz gegen die Ziffern 1 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügungen nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO aus. Auf die weiteren Einwände der Antragsteller, die sich gegen die Schulbesuchsaufforderung u.a. mit dem Verweis auf die Corona-Pandemie, die Gefahren der COVID-19 – Erkrankung für Kinder sowie die vermeintlich unzureichenden Schutzmaßnahmen an Schulen richten, kommt es mit Blick auf die Unzulässigkeit des Antrags nicht mehr an.

II.

Der Antrag gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes jeweils in Ziffer 3 der angegriffenen Ordnungsverfügungen sowie gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes jeweils in Ziffer 4 der angegriffenen Ordnungsverfügungen ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1 Var. VwGO kann das Gericht der Hauptsache die auf- schiebende Wirkung der Klage gegen einen Verwaltungsakt ganz oder teilweise an- ordnen, wenn sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in gesetzlich vorgeschriebenen Fällen, wie vorliegend gemäß § 112 JustG NRW für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung, entfällt.

Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt jedoch zum Nachteil der Antragsteller aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Bescheide überwiegt das Interesse der Antragsteller, von der sofortigen Vollziehung der Verwaltungsakte verschont zu werden. Denn die Bescheide erweisen sich nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.

Die Zwangsmittelfestsetzungen in den jeweiligen Ordnungsverfügungen vom 27. Dezember 2021 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen nach den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 58 Abs. 1 und 2, 60, 63, 64 VwVG NRW beachtet. Die ursprünglichen Grundverfügungen vom 8. September 2021, mit denen die Antragsteller aufgefordert worden sind, für den Schulbesuch ihres Kindes zu sorgen, sind nach Maßgabe des § 55 Abs. 1 VwVG NRW vollstreckbar. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung dieser Bescheide verfügt. Einstweiliger Rechtschutz der Antragsteller hiergegen blieb ohne Erfolg.

Vgl. VG Köln, Beschluss vom 5. Oktober 2021 –
und OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2021.

Der Antragsgegner hat gemäß § 63 VwVG NRW das Vollstreckungsmittel des Zwangsgeldes (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 VwVG NRW) in den Ordnungsverfügungen vom 8. September 2021 ordnungsgemäß angedroht. Nach § 64 VwVG NRW setzt die Behörde das angedrohte Zwangsgeld fest, wenn der Pflichtige die Verpflichtung nicht erfüllt. Diese Voraussetzungen liegen vor, weil die Antragsteller nicht sichergestellt haben, dass ihr Sohn am Unterricht teilnimmt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es den Antragstellern nicht möglich gewesen war, der Erfüllung dieser Verpflichtung nachzukommen. Das festgesetzte Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 für jeden Antragsteller überschreitet nicht den gesetzlichen Rahmen in § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG. Auch hat der Antragsgegner den Antragstellern entsprechend § 60 Abs. 2 VwVG eine angemessene Frist gesetzt zur Zahlung des Zwangsgeldes bis zum 31. Januar 2022, was zwei Wochen ab Nichtvorlage der Bescheinigung über den Schulbesuch bis zum 17. Januar 2022 entspricht.

Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ist das festgesetzte Zwangsgeld nicht unverhältnismäßig. Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes für jeden Elternteil entspricht der Bedeutung des verfolgten Ziels, namentlich der Durchsetzung der Schulpflicht, der der Anspruch des Kindes gegenüber dem Staat auf schulische Bildung zur Seite steht,

Vgl. zu diesem Anspruch BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 971/21 –, juris, Rn. 48 ff.

Der Antragsgegner hat auf Nachsuchen der Antragsteller ferner dargelegt, dass das Zwangsgeld regelmäßig in dieser Höhe angedroht bzw. festgesetzt wird. Das Zwangsgeld ist ferner geeignet und erforderlich, die Antragsteller zur Erfüllung der Schulpflicht anzuhalten. Mildere Mittel sind angesichts der mehrfachen erfolglos gebliebenen Aufforderungen, für den Schulbesuch zu sorgen, nicht ersichtlich. Nach

§ 58 Abs. 2 VwVG NRW darf der durch ein Zwangsmittel zu erwartende Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen. Ein solcher außerverhältnismäßiger Schaden ist hier nicht dargetan. Soweit die Antragsteller meinen, die Zwangsgeldfestsetzung sei unzulässig, weil der Antragsgegner „nicht alles Erdenkliche und von der Wissenschaft“ Empfohlene unternommen habe, um eine Infektionsgefahr in der Schule zu vermeiden, dringen sie damit nicht durch. Dieses Vorbringen betrifft nicht das Zwangsmittel als solches und den dadurch entstehenden Schaden, sondern richtet sich gegen die Grundverfügung zur Durchsetzung der Schulpflicht. Dass eine staatliche Pflicht, das Maximum an möglichen Vorkehrungen zum Schutz vor einer Corona-Infektion zu ergreifen, nicht besteht, und die speziell an die Antragsteller gerichteten Grundverfügungen vom 8. September 2021 rechtlich nicht zu beanstanden sind, wurde bereits in den genannten Beschlüssen dargelegt,

vgl. VG Köln, Beschluss vom 5. Oktober 2021 –
und OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2021;
s. auch OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 –, juris, Rn. 21, 29.

Grundlegende Änderungen haben die Antragsteller insoweit nicht vorgetragen.

Ein außer Verhältnis stehender Schaden droht den Antragstellern auch nicht infolge der finanziellen Belastung mit dem Zwangsgeld. Die Antragsteller haben einen öffentlichen Spendenblog eingerichtet und Spenden in Höhe von über 14.000,00 € gesammelt unter anderem, um die angedrohten und festgesetzten Zwangsgelder zu begleichen.

Vgl. https://www.jahnz-warscheid.de/spendenstand/ – zuletzt aufgerufen am 30. März 2022.

Auch die in Ziffer 4 der Ordnungsverfügungen enthaltenen Zwangsgeldandrohungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vollzugsbehörde darf ein Zwangsgeld wiederholt anwenden, wenn der Zweck zuvor nicht erreicht worden ist (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 VwVG). Sie darf auch die Höhe des Zwangsgeldes erhöhen, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Dies erscheint gegenwärtig verhältnismäßig, da andere Zwangsmittel, etwa die zwangsweise Zuführung, gravierender für die Antragsteller bzw. ihren Sohn wären. Es ist ferner auch nicht rechtlich geboten, die weitere Vollziehung einzustellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Für die Verfügung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügungen wird in der Hauptsache jeweils für beide Antragsteller ein Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro zugrunde gelegt, der hier wegen der Vorläufigkeit des Eilverfahrens halbiert wird (2 x 2.500 Euro). Dem steht nicht entgegen, dass nach den obigen Ausführungen die Verfügungen in den jeweiligen Ziffern 1 als wiederholende Verfügungen zu verstehen sind. Denn es entspricht ausdrücklich der Bedeutung der Sache für die Antragsteller, die sich in ihrem Antrag mit der Schulpflicht und deren Durchsetzung in Ziffer 1 der Verfügungen auseinandergesetzt haben, sie bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. Für die daneben selbständig erfolgte Festsetzung der Zwangsgelder in den jeweiligen Ziffern 3 der Ordnungsverfügungen werden im Hauptsacheverfahren die festgesetzten Be- träge je 2.500,00 Euro berücksichtigt, im Eilverfahren beträgt der Wert ein Viertel des Streitwerts (2 x 625,00 Euro), vgl. Nr. 1.7.1 Satz 1 und Nr. 1.5. Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Hinzu kommen die beiden Zwangsgeldandrohungen über jeweils 5.000,00 Euro in den jeweiligen Ziffern 4 der Ordnungsverfügungen. Diese beiden weiteren Zwangsgeldandrohungen sind mit einem Streitwert in Höhe von einem Achtel des angedrohten Betrags festzusetzen, weil sie hier in einem selbständigen Vollstreckungsverfahren ergangen sind (2 x 625,00 Euro), Nr. 1.5 i. V. m. Nr. 1.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2021, juris, Rn. 14.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.

Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.

Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäfts- stelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.